Es ist Samstagmorgen. Draußen regnet es in Strömen, eine trommelnde Karnevalsgarde zieht vorbei und zeichnet ein surreales Bild in einer sonst recht menschenarmen Stadt. Im StadtLab Jena unterhält sich eine Frau angeregt mit der kolumbianischen Designerin Carolina Villegas über ihre Mode, welche diese hier exponiert anbietet. Die junge Modemacherin und Künstlerin wohnt seit einem halben Jahr in Jena. In Kolumbien hat sie gemeinsam mit ihrer Freundin Jessica Bluhum das nachhaltige Modelabel LEDA gegründet. Einige dieser Stücke hat sie nun hierher gebracht und verkauft sie auf der PopUp Fläche, welche sie für ein paar Tage gemietet hat.
Wobei es das Wort „verkauft“ nicht ganz trifft, denn Carolina Villegas „versprach-kauft“ vielmehr ihre Kollektion, voller Enthusiasmus, Begeisterung und Faszination für jedes einzelne Teil. Sie vermittelt mit ihren Worten eine Philosophie, eine Lebensart, in der Kleidung nicht ein einfaches Konsumprodukt zur schnellen Reizbefriedigung ist. Vielmehr hat sie zu jedem Teil eine eigene Geschichte: über dessen Machart, die Materialien, welche verwendet wurden und über die Menschen, welche die Hosen, Shirts und Jacken in Kolumbien herstellen. Sie vermittelt so mit ihrer Kleidung eine künstlerische Komponente, eine Idee, welche die Käufer:innen mit ihren Kleidungsstücken verbinden sollen, wenn sie diese tragen. Und Carolina Villegas tut dies auf eine ruhige, klare und bisweilen regelrecht verliebte Art, wodurch sie jedem ihre Teile eine Einzigartigkeit, eine Wertigkeit verschafft.
Die Kolumbianerin verkauft mit Sprache. Auch wenn diese hier nicht ihre Muttersprache ist und nicht jedes Wort sofort so fällt, wie sie möchte, dass es fällt. Und vielleicht auch, weil sowohl ihre Kleidung wie auch ihre Sprache von einer sensiblen Achtsamkeit durchdrungen ist, erklärt die Kundin ihr: „Sagen Sie nicht Klamotten, wenn Sie von ihren Produkten sprechen. Das klingt abwertend. Sie lieben ihre Arbeit. Das Wort Kleidung bringt dies mehr zum Ausdruck. Sagen Sie Kleidung.“ Sie lächelt der jungen Designerin zu, welche daraufhin lacht: „Oh, das wusste ich gar nicht. Vielen Dank. Ich lerne jeden Tag dazu.“
Wie von einem Schwan umarmt
Während sich die beiden weiter unterhalten, füllt sich der Laden langsam. Die Leute schauen sich vorsichtig um. Betrachten neben der Kleidung, Taschen und Schmuck, die sie hier von guten Freundinnen präsentiert. Auch Kunstwerke hängen von und an der Wand. Filigrane Radierungen mit zarten Linien und Strichen, welche sich zu landschaftsartigen Formen zusammenfinden aber auch farbintensive Bilder, welche das Innere einer Blume oder den Teil eines Lobsters zeigen. „Die Bilder sind auch von mir“, erzählt sie. „Ich habe in Kolumbien Kunst studiert. Im letzten Semester habe ich gewusst, dass ich keinen Job in einem Office haben wollte. Mit meiner Freundin Jessica habe ich dann LEDA gegründet, erzählt sie und berichtet weiter, was die Namensgebung mit ihr persönlich zu tun hat: „Ich liebe die Mythologie. Ihre Geschichten. Leda ist eine Frau aus der griechischen Mythologie. Zeus hatte sich in sie verliebt und sich in einen Schwan verwandelt, um ihr nahe sein zu können. Ich habe diese Szene einmal auf einem wunderschönen Rubensgemälde gesehen und mir gefiel die Vorstellung, dass du, immer wenn du LEDA trägst, von den Flügeln eines Schwans umarmt wirst. Ich konnte auch keine Fast-Fashion machen. Es musste etwas nachhaltiges sein, etwas dass von meinem Herzen kommt. Ich liebe die Natur. Von ihr kommt all meine Inspiration und Kunst.“
Und diese Kunst geht bei Carolina Villegas immer ins Detail. Die Designerin erzählt in allen Einzelheiten über die Knöpfe ihrer Kollektion, traditionelle Webmaschinen, über die Stickereien, welche Mythen vom Anfang und Ende der Welt erzählen. Sie philosophiert über die tiefe Schönheit, welche in den Mikroskop-Aufnahmen von Körnern steckt und auf welche Zentren der Blick beim Betrachten ihrer Bilder geleitet wird. Für die Kolumbianerin ist dies ihre erste LEDA-Präsentation in Deutschland. Für ein Wochenende teilt sie sich das StadtLab mit Lars Winter, der hier seinen Kneipomat vorstellt. „Hier ist ein idealer Ort. Ich habe in dieser Woche so viel positives Feedback erhalten, konnte mich mit so vielen Menschen unterhalten. Ich möchte dies unbedingt noch einmal wiederholen.“