„Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald“, verlaute Mitte der 50ziger Jahre Westdeutschlands erste Schnellrestaurantkette. Endlich musste die deutsche Hausfrau nicht mehr hinterm bzw. vorm Herd stehen. Zumindest nicht täglich. Heute sind die Möglichkeiten auf dem Markt der Verköstigungen schier grenzenlos. Aus allen Ländern der Welt kann man sich seine Mahlzeit auf alle erdenklichen Arten besorgen: die schnelle Küche für zuhause und unterwegs ist allgegenwärtig. Sich hier noch mit einem neuen Essenskonzept selbstständig zu machen, benötigt ziemlich viel Idealismus. Und doch geht Lars Winter inmitten der schwierigen Coronakrise genau dieses Abenteuer ein. Seine Idee: ein Kneipomat. Ein Automat, wo man sich neben Getränken auch fertig gekochtes Essen kaufen kann. Gutes, heimisches Essen, welches normalerweise eine lange Zubereitungszeit bräuchte wie Tafelspitz, Gulasch oder Nussbraten, zum Nachtisch Panacotta… Alles ohne chemische Zusatzstoffe oder Konservierungsmittel.
Gastronomie neu gedacht
Lars Winter kennt das Terrain der Gastronomie. Jahrelang arbeitete der Mitbegründer des Jenaer Lokals Daheme als Caterer für Filmcrews. Nun, so erzählt er, wollte er sein Essen der Allgemeinheit zugänglicher machen. „Mit etwas, was man kräftemäßig auch noch jenseits der dreißig schaffen kann.“ Ein Automat, wo er das von ihm gekochte Essen, in verpackungsarmen, BPA-phthalatfreien Vakuumbeuteln anbieten konnte, schien ihm dafür ideal. Dieses könnte sich dann jeder einfach und unkompliziert besorgen. Unabhängig von Öffnungszeiten. Eine fast fertige Mahlzeit welche – und das betont er besonders – wirklich gut schmeckt und zufrieden macht. Doch von der Idee bis hin zur Umsetzung dauert es. Lars Winter sichert sich die Markenrechte für seine Idee und begibt sich auf die Suche nach einem Automatenhersteller, welchen seinen Ansprüchen gerecht wird. Eine abenteuerliche Suche, die ihn zu verschiedenen Herstellern und zu manchen dubiosen Gestalten führt. Über ein Jahr dauert seine Sondierung, dann schafft er sich drei Automaten an.
Einen davon präsentiert er nun im Jenaer StadtLab. Hier hat er eine zentrale Möglichkeit auch Schwellenängste gegenüber dem Produkt abzubauen. Denn, so erklärt er: „Das Problem ist, den Menschen einerseits klar zu machen, wie einfach die Zubereitung der angebotenen Mahlzeiten ist. Dafür haben wir bereits extra kleine Videos erstellt, welche über ein Tablet im Automaten, den Nutzern die Einfachheit des Prinzips erklären. Außerdem haben viele eine gewisse Skepsis, ob so ein Essen aus dem Automaten auch tatsächlich gut ist. Hier muss ich viel Überzeugungsarbeit leisten.“ Lars Winter teilt sich daher das StadtLab auch mit der Künstlerin und Designerin Carolina Villegas. Nutzt quasi die Synergieeffekte. So kann man sich als Kund:in in der angeschlossenen Küche des Pop-Up-Stores sein Essen zubereiten und dieses an hübsch dekorierten Tischen verspeisen. Parallel kann man sich dazu mit Kunst und Mode beschäftigen. „Das ist hier allerdings nicht das natürliche Habitat des Automaten,“ erklärt Winter. „Eigentlich stehen diese Automaten ja draußen. Einen habe ich beispielsweise im Damenviertel platziert. Ein anderer stand bis vor kurzem am Jenaer Campingplatz. Das ist natürlich ein idealer Standort, denn so etwas wie Klöße mit Gulasch und Rotkraut kocht man sich unterwegs ja eher nicht. Ich selbst nehme mir solch ein Essen oft auf Wanderungen mit oder wenn ich zum Campen gehe. Das ruft dann mitunter großes Erstaunen bei den Platz-Nachbarn hervor, wie ich so ein aufwendiges Essen einfach so dabei haben kann.“
Das Kneipomaten-Wirtshaus war nur der Anfang
Lars Winter ist sich aber auch klar darüber, dass das Konzept noch offenes Potential hat: „Das ist im Moment nur der Anfang. Man kann viel experimentieren und Produkte entwickeln. Ich könnte natürlich auch viele andere Gerichte anbieten. Zum Beispiel ein indisches Daal. Aber das ist im Moment nicht das Konzept. Viele Vorgänge im Herstellungsprozess müssen zudem noch optimiert werden. Im Moment dauert besonders das Abfüllen noch Ewigkeiten. Da bräuchte ich eine richtige Produktionsstrecke mit Maschinen, welche diese Arbeit übernehmen kann. So verdiene ich mit den Kneipomaten im Moment noch keinen Pfennig. Doch es ist die Idee, die dahinter steckt und die ich vorantreiben will.“