Stadt als Kinder- (freie) Zone?! (1)

Im Februar 2024 zog Olga Uchatsch für einen Monat mit dem Fambulous – family space & store in das StadtLab Jena und verwandelte die Erdgeschossfläche in einen besonderen Aufenthalts- und Verkaufsort für Familien. Erfahrt im ersten Teil des Blogbeitrags mehr über die junge Gründerin und ihre Idee …

Teil eins
Wenn ein Lebens-, Laden und Innenstadtkonzept aufeinandertreffen…

Allein ein Blick auf Jenas Kinder-Spielplätze zeigt: Hier ist ordentlich was los! Zwar sinken seit ein paar Jahren auch hier die Geburtenzahlen, doch kinderarm ist die Stadt deshalb noch lange nicht. Im Jahr 2023 kamen allein im Universitätsklinikum 1190 Kinder zur Welt. Von den über 111.000 Einwohnern sind 14.728 unter 15 Jahren. Die meisten leben dabei nicht, wie man vielleicht denken würde, in grüner Vorortidylle sondern direkt in Jena. Im Innenstadtbild ist hiervon allerdings nur wenig zu sehen, findet Olga Uchatsch. Ihr family space & store „Fambulous“, den sie im Februar für einen ganzen Monat im StadtLab eröffnet hat, ist daher gleichsam Aufenthaltsort für Familien als auch Verkaufsort für verschiedenste Mütter-, Väter- und Kinderprodukte.

Olgas Idee entstand aus ihrem eigenen Bedürfnis, als junge Mutter nicht nur auf die heimischen vier Wände beschränkt zu sein, erzählt sie: „Als ich meine Tochter bekam, hatte die Corona-Zeit noch nicht begonnen. Es war herrlich. Scheinbar hatte jemand für mich am Glücksrad gedreht und mir ein absolutes Anfängerbaby geschenkt. Wir hatten Sommer. Ich hatte die Kleine auf dem Arm, konnte in Cafés sitzen und das Leben genießen. Doch dann änderte sich die Situation. Plötzlich hatte ich ein mobiles Kleinkind. Mit dem ersten Schritt, den die Kleine machte, war das gemütliche Leben für mich vorbei. Ich konnte nirgendwo mehr in Ruhe sitzen. Kleine Spieleecken in Cafés wie dem Kabuff haben sie nicht lange gehalten. Sie hat alles erkundet und ich bin hinter ihr her. Im Sommer ist das natürlich noch einfach mit dem Angebot an Spielplätzen und Wiesen. Aber mit der kälteren Jahreszeit wurde es schwierig. Irgendwann habe ich aufgegeben. Ich habe gar nicht mehr versucht, mich in der Öffentlichkeit aufzuhalten. Ich musste feststellen: Jena hat zwar ein tolles Angebot an Kursmodellen. Es gibt Tanz-, Sport- und Elternkurse aber das sind halt immer spezifische Angebote, welche an eine vordefinierte Zeit und ein Ziel gerichtet sind. Solche Angebote erfordern Vorausplanung. Man muss zu einer bestimmten Zeit da sein, eine bestimmte Anzahl von Stunden buchen. Das alles setzt einen unter Druck. Was für mich fehlte, war ein Angebot für diese ungerichtete Zeit. Einfach zu sagen: `Ich bin gerade in der Stadt, habe nach der Kita noch etwas Zeit und möchte nicht sofort nach Hause gehen.` Doch das gibt es nicht.“ „Man wird“, so Olgas Wahrnehmung, „als Elternteil fast zurückgedrängt aus dem Stadtzentrum. Wir haben hier in der Stadt keine öffentlich sichtbaren Angebote für Familien mit kleineren Kindern.“

In ihrer Elternzeit hat sich die studierte Medienmanagerin daher viel mit soziologischen Fragen beschäftigt. Wie wird Elternschaft wahrgenommen? Wie Mutterschaft? Wie kommt es, dass die Rollenverteilung häufig wieder sehr traditionell ist, sobald Kinder im Spiel sind? So kam sie auch auf das Thema „feministische Stadtplanung“. „Letztlich“, so erklärt sie, „hängt das alles miteinander zusammen. Die Innenstädte werden von gesunden, weißen erwachsenen Menschen für gesunde, weiße, erwachsene Menschen konzipiert. Größtenteils sind es dazu noch Männer, welche Dinge wie Care-Arbeit und das Zusammensein mit Kindern einfach nicht auf dem Radar haben. So werden diese Themen in die Unsichtbarkeit verlagert. Nehmen wir das Familienzentrum, welches ich sehr liebe. Es befindet sich eigentlich schon am Stadtrand  – im ersten Obergeschoss eines Gebäudes, dem du von außen nicht ansiehst, was hier stattfindet. Außerdem muss man immer erst einen zielgerichteten Weg zurücklegen, um zu solchen Angeboten zu kommen. So einfach im Vorbeigehen passiert da nicht viel. Und das, obwohl die Menschen ja das Bedürfnis haben, sich außerhalb ihrer eigenen vier Wände zu treffen.“ Für ihren Businessplan hat Olga daher recherchiert. Tatsächlich gibt es in Jenas Innenstadt derzeit nur ein einziges Café, welches eine gut ausgestattete Spieleecke für Kinder anbietet. Für die Mutter ein Unding. „Denn einerseits“, so erzählt sie, „wünschen sich Stadtbesucher laut Umfragen `innerstädtische Orte der Zusammenkunft` statt reiner Konsumtempel, anderseits schrumpft gerade das Angebot der Einzelhändler gefühlt zusammen. Subsumiert haben wir Handyläden, Geschäfte für Hörgeräte und Barbershops. Für Familien ist das Angebot stark zurückgegangen. Man kann derzeit hier physisch keinen Kinderwagen oder eine Babytrage mehr kaufen.“ Olga Uchatsch, die derzeit bei der Universität Jena für Deutschlandstipendien zuständig ist, sieht hier definitiv Bedarf. Für sie ist daher solch ein Laden mehr als nur ein persönliches Anliegen…