Es ist voll im Jenaer StadtLab an diesem 30. Mai. Der Tag der Ergebnisverkündung des hier ausgeschriebenen Ideenwettbewerbs steht an. Der Blick etlicher Gäste ist daher auf große Poster gerichtet, welche überall im Raum hängen. Jedes zeigt in Text und Bildern eine Wettbewerbsidee. Insgesamt elf Träume und Pläne, die sich damit beschäftigen, was nach Jena und zu den Ideengebern selbst passt. Und so liest man über ein Sprachencafé, die Vermarktung von heimischen Schnittblumen, nachhaltige Kleidung, Chat-GPT-Kurse, über eine urbane Töpfereiproduktion, ein Fine Dining Konzept oder den Verkauf von selbsthergestellten Oxymelen. Es sind wahrhaft unterschiedlichste Vorstellungen, was man im StadtLab und allgemein in Jenas Innenstadt umsetzen könnte.
Genauso unterschiedlich wie die Ideen sind auch ihre Träger:innen, welche sich dem Ideenwettbewerb des StadtLabs angeschlossen haben. In den vergangenen Wochen und Monaten haben sie sich zu verschiedenen StadtLab-Workshops getroffen. Haben gemeinsam an ihren Vorstellungen geschliffen, sich Ratschläge geholt und gegenseitig gegeben. Dass sich am Ende von rund 18 Teilnehmer:innen ganze 11 der Jury stellten, freut die Organisator:innen Grit Sachse und Florian Lauterbach: „Wir hatten nach der Ausschreibung des Ideenwettbewerbs sehr lange nur vier Anmeldungen. Auf den letzten Metern sind es dann noch so viele dazu gekommen. Einige Ideen waren dabei schon sehr konkret, andere eher eine grobe Skizze. Sich mit seiner Idee einer Jury zu stellen, erfordert schon einiges.“ Das sieht auch eine der Teilnehmerinnen so: „Ich habe lange überlegt, ob ich mich überhaupt dem Wettbewerb stelle“, erzählt sie. „Der Prozess war für mich viel wichtiger, als das Ergebnis. Ich habe so viele Leute kennengelernt, neuen Input erhalten, Kontakte geknüpft. Letztlich habe ich meine eigene Idee hier erst so richtig gefunden. Dann war der Jurypitch doch irgendwie die logische Schlussfolgerung“, erzählt sie.
Ihr Blick richtet sich nach vorne, wo nun Nadine Reinhold zum Mikrofon greift. Die Marketing-Expertin hatte selbst eines der Vortreffen der Ideenträger:innen geleitet und diese mit Tipps auf ihren Pitch vorbereitet. Am heutigen Abend moderiert sie die Preisverleihung. Und so stehen vor ihr auf einem Glastisch die vier Preise, welche heute ihren Ideengeber finden. „Neben den drei Jurygewinnern ist noch ein Publikumspreis zu vergeben…“, erklärt sie. „ …wobei selbst die, welche heute nicht gewonnen haben, trotzdem gewonnen haben.“ Dass sieht auch Laudator Lars Liebe vom Fachdienst Stadtentwicklung so: „Wer letztlich hier gewinnt, ist gar nicht so entscheidend“, betont er in seiner Ansprache. „Manchmal sind gerade diejenigen, welche nicht gewinnen, diejenigen welche ihre Idee auf dem Markt durchsetzen. Manchmal sind die, die gewinnen, nicht diejenigen, welche es umsetzen. Es gibt hier alle Konstellationen als Startups und ich habe sie alle schon kennengelernt. Insofern hat insbesondere die Stadt durch die Ideen gewonnen.“ Das sieht auch Florian Lauterbach: „Dies war ja auch in erster Linie das Anliegen des StadtLabs: neue Ideen in die Innenstadt zu holen, diese zukunftsfähig zu machen. Das geht nur mit Menschen.“ Auch Grit Sachse spricht ebenso: „Wir haben daher auch extra keinen Gründungswettbewerb ausgeschrieben. Nicht jede gute Idee für die Stadt, muss gleich eine Gründungsidee sein.“
Gut eine Stunde geben alle Redner noch einmal einen Überblick, wie es zu dem Wettbewerb kam und wie sie diesen wahrgenommen haben, welche Rolle Regionalität von Referenten, Caterern und Unterstützern spielte und was dessen Zukunftsperspektiven sind. Dann ist es an der Zeit, den Spannungsbogen zur Auflösung zu führen und die vier Preisträger:innen zu küren. Auch Moderatorin Nadine Reinhold findet: „Man spürt schon förmlich, wie hier alle ungeduldig mit den Hufen scharren…“
Laudatorin Franziska Weiland hat als Gründerin des Konzeptstores Holz und Hygge in Jena und Jurymitglied die Ehre den dritten Platz zu verkünden und offenbart diesen in einem Indizienpuzzle: „In einer Welt, geprägt von Distanz, brauchen wir wieder mehr Nähe. Nähe zum Handwerk, Nähe zum Künstler und Nähe Zueinander. Eine Idee, die Handwerksproduktion, die Kunsthandwerk hautnah erlebbar macht. Die Workshopformate anbietet und dazu einlädt, selbst kreativ zu werden und zu gestalten. Diese Idee hat uns überzeugt. Es geht um urbane Produktion. Es geht darum, eine regionale Produktion wieder lebendig zu machen. Wir glauben daran, dass dieses Konzept unsere Innenstadt wieder aufwertet, lebendig macht und ein Anziehungspunkt werden kann.“ Spätestens jetzt drehen sich die Köpfe der Anwesenden Ideenträger:innen zu Sibylle Grundeis. Die derzeit praktizierende Lehrerin hatte in den letzten Wochen und Monaten mit ihrem Konzept eines kreativen und offenen Keramikstores in Jena am Ideenwettbewerb teilgenommen. Ihre Ansprache lobt vor allem den Prozess des Wettbewerbs: „Ich fand, der ganze Workshop hatte wirkliche eine tolle familiäre Atmosphäre. Ich habe jedes Treffen sehr genossen, habe viel dazu gelernt und tolle Leute kennengelernt. Es ist toll, dass dies nun einen so schönen Abschluss findet.“
Matthias Luge von der Kommunikationsagentur ART-KON-TOR übernimmt als zweiter Laudator den Staffelstab. Für ihn als Jurymitglied stand unter anderem die Frage im Vordergrund, was in der Innenstadt umgesetzt werden und hier funktionieren kann. Dass der zweite Preis an Miriam Kubrat und André Toussaint mit ihrem Projekt „Education Center“ geht, freut ihn ganz besonders: „Immerhin geht es um ein Thema, das mit Wissen und Lernen zu tun hat. Wo Kinder und Jugendliche eine Rolle spielen, die erforschen und ausprobieren und etwas bauen können. Dass man diesen mit LEGO und KI-Lernrobotern ein Angebot schaffen kann, welche sie auch einmal von der Daddelkiste wegbringt, ist wirklich cool“, so seine Ankündigung der Ideenträger. Miriam Kubrat sieht das so: „Eigentlich war es ja die beste Idee überhaupt diesen Wettbewerb auszurufen. Wir sind wirklich dankbar, weil wir einen Schritt weiter auf unserer Mission sind. Und die hat viel mit Service zu tun. Damit, dass man aufeinander acht gibt und auch auf die Entwicklung unserer Kinder. Das möchten wir mit unserem Projekt in einem sicheren Umfeld gewährleisten.“
Nach einem standesgemäßen Trommelwirbel darf Jurymitglied Daniel Schade, Leiter der jenawohnen GmbH, den ersten Preis des Ideenwettbewerbs verkünden. „Dass ich das erste mal eine Laudatio halten darf, freut mich sehr. Dass diese für meinen Favoriten ist, freut mich umso mehr“, lacht er und erzählt: „Als ich vor sieben Jahren von Berlin nach Jena kam, hab ich tatsächlich ein paar Dinge vermisst. Zum Beispiel spontan in der Nacht ein Taxi zu rufen oder nur fünf Minuten auf die nächste Straßenbahn zu warten. Nach einigen Monaten wirklich leckerer Klöße, Braten und Blechkuchen war auch die Sehnsucht da nach etwas feiner Küche, ohne dass diese zu fancy oder zu abgehoben und zu teuer ist. Ich freue mich daher wirklich, dass es hier zukünftig diese Idee in Jena zu sehen gibt. Eine Idee, wo man viele nette, bunte Menschen treffen kann. Denn diese Welt braucht bunte Menschen.“ Daniel Schade blickt zu Jessica Mulzac und Christian Guder und hält unter großem Gelächter eine pinke Plastik-Banane in die Luft. Spätestens jetzt ist die Anspielung auf deren Fine Dining Idee des „Pink Banana Supper Club“ jedem im Raum bewusst. So wollen die beiden doch mit außergewöhnlichen gastronomischen Erlebnissen die kulinarische Landschaft in Jena bereichern. In leerstehenden Ladenflächen und Restaurants sollen regelmäßig Feinschmecker-Events mit regionalen Lebensmitteln und in privater Atmosphäre veranstaltet werden. Ein Aspekt, den Daniel Schade besonders hervorhebt, bevor er die beiden nach vorne bittet. Im passend pink-gelbem Outfit nehmen Jessica Mulzac und Christian Guder ihren Preis entgegen. „Der Aufruf zum Ideenwettbewerb war für mich wie ein Tritt in den Hintern. Außerdem hat es unglaublich Spaß gemacht, eine Idee mit seiner Partnerin zu entwickeln.“ Jessica Mulzac ergänzt: „Thank you so much, for the support!“
Nach der Jurypreisverleihung befindet sich noch ein letzter Preis auf dem Gabentisch des heutigen Abends: der Publikumspreis. Und der wechselt jetzt mit Laudatorin Katrin Hitziggrad der Agentur „Zukunftsoptimisten“ seinen Stellplatz. „Zukunftsoptimismus ist etwas, was wir alle brauchen und das wurde in dem Ideenwettbewerb auf jeden Fall zum Ausdruck gebracht. Das Projekt, welches vom Publikum gewählt wurde, vereint mehrere Bedürfnisse. Ziel ist es einen kraftvollen Erholungsort zu schaffen, der aufzeigt, wieviel Energie und Leben in der Natur steckt. In der Zukunft ist ein Bildungsangebot für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen, Selbstwirksamkeitserfahrung zu stärken und Achtsamkeit zu lehren. Das Projekt, ist nicht nur für Farbe und Vielfalt in der Innenstadt sondern auch in Gastronomie, Einzelhandel und das eigene Zuhause“, erklärt sie und bittet Ideengeberin Sandra Bernstein nach vorne. Deren Konzept des „urbanen Schnittblumenanbaus“, welche frei von Pestiziden sind, bekam die meisten der über 1200 abgebenden Stimmen.
Nach vielen Emotionen, Siegerfotos, Dankesblumen und zahlreichen Glückwünschen finden sich alle um das angerichtete Catering ein. Stellt sich nur noch eine Frage: „Was gab es eigentlich zu gewinnen?“ „Neben einem Preisgeld haben die drei Jury-Gewinner nun die Möglichkeit, ihre Projekte testweise kostenfrei im StadtLab Jena auszuprobieren“, erzählt Florian Lauterbach. Allerdings sind wir gespannt, ob sich vielleicht auch noch Kollaborationen finden. Denn eigentlich würden viele der eingereichten Ideen gut zusammenpassen. Es bleibt also spannend.“