Es ist ein bisschen wie bei einer Datingshow: 18 Kandidat:innen präsentieren sich. Sie zeigen, wer sie sind, was sie wollen und was sie haben. In diesem Fall: eine gute Idee. Zusammengeführt hat sie das Jenaer StadtLab. In einem – seit Jahresbeginn ausgeschrieben Wettbewerbsaufruf – wurden neue Anregungen für städtische Projekte und Unternehmen gesucht. Gefragt waren originelle Einfälle, Gedanken und Entwürfe, welche sichtbar machen, was im innerstädtischen Raum so alles umgesetzt werden könnte.
Nun – Anfang März – sitzen 16 dieser Ideenträger:innen erwartungsvoll im StadtLab zusammen und warten auf… Ja, auf was eigentlich? Denn scheinbar weiß keiner der Gäste in Gänze, was da so heute Abend auf ihn oder sie zukommt. Entsprechend neugierig sind alle. Eine Tafel, auf der stichpunktartig die einzelnen Projekte vorgestellt sind, wird dann auch schnell zum Sammelpunkt des Interesses. „Die Kunst der natürlichen Fortbewegung“ – Parcours zum Austausch und Bewältigung von Herausforderungen, „Ein Sprachencafé für Jena“ oder „KI Seminare – Schwerpunkt ChatGPT“ ist hier zu beispielsweise zu lesen. Ein buntes Potpourri an Einfällen, um dass sich die Zusammengekommenen nun gesellen.
Das Treffen ist das erste von insgesamt vier Terminen zum Ideenwettbewerb. Ende Mai werden dann die Gewinner:innen prämiert. Heute aber sollen sich die Teilnehmer:innen erst einmal beschnuppern und in lockerer Atmosphäre miteinander in Austausch geraten. Damit dies gelingt, kommt Eva-Maria Hartwich ins Spiel. Die Organisationsentwicklerin leitet den Abend und klärt die Anwesenden erst einmal auf, was sie da so in den kommenden drei Stunden so erwartet. Sie definiert die Regeln für die Ideenvorstellung der Teilnehmer:innen. Dass dies etwas unkonventioneller, in kleinen, wechselnden Gruppen und nicht wie im schulischen Frontalunterricht passieren soll, erzeugt dann auch ein durchaus hörbares Aufatmen. Scheinbar muss sich hier heute Abend niemand einer Prüfungssituation stellen. So lockert sich nach und nach auch die Stimmung im Raum und eine Konkurrenz – sollte sie denn von jemanden erwartet worden sein – bleibt gleich mal außen vor. Im Gegenteil: die Regeln des „Speeddatings“ fordern von den Teilnehmer:innen klar, nicht nur ihre eigene Idee zu präsentieren, sondern auch den anderen zuzuhören, ihnen Fragen zu stellen und Anregungen zu geben. Jeder ist so gefragt, sich einzubringen. Jeder ist mal der Erzählende, mal der Zuhörende, mal der Ratgebende.
Und der Plan geht auf. „Ich möchte eine offene Töpferei für hochwertige Keramik eröffnen.“ „Mein Plan ist es, regionale Schnittblumen zu verkaufen…“, „Wir wollen in leerstehenden Räumen einmal im Monat einen Dinner-Abend organisieren, wo wir lokale Produkte verarbeiten…“, „Ich denke, der Austausch von alten Medizinwissen ist eine Bereicherung…“, „Ich suche einen Raum für Begegnung…“. Die nun offenen Gedankenspiele der Beteiligten jagen sich schier gegenseitig durch den Raum. Während einige erst einmal schemenhaft ihre Wünsche skizzieren, stehen andere schon mit einem Bein fest im Businesskonzept. Während manche Wettbewerbsteilnehmer:innen einfach Lust haben, neben ihrem festen Job etwas „cooles“ auf die Beine zu stellen, sehen andere in ihren Ideen schon konkrete Berufsprojekte. Auch die Palette der eingereichten Beiträge – das wird in den kurzen Gesprächen rasch deutlich – könnte mannigfacher kaum sein: Kultur, Sport, Medizin, IT-Technology, Kochen, Basteln, Bildung. Die kreativen Ideen der anderen zu hören, einzutauchen in völlig fremde Welten des Arbeitsalltags, der Freizeitaktivitäten und Interessen, macht allen sichtbar Spaß. Und so erklärt Alexander an seinem Gruppentisch gerade, das Finnougristik, die spezielle Philologie der finno-ugrischen Sprachen sei und Axl, was ihn antreibt, neben seinem Beruf als Herzklappenentwickler einen Hip-Hop-Kurs zu veranstalten.
Dass die Teilnehmer:innen auch über den offiziellen „Speeddating-Part“ hinaus noch Interesse haben, sich kennenzulernen wird schnell deutlich und man muss nicht mit Fachwissen geschlagen sein, um zu sehen, dass einige der Ideen auch gut zusammen funktionieren würden. Auch die Projektleiter:innen des Jenaer StadtLabs sehen hier Potential: „Wir sind wirklich gespannt, was sich hier so ergibt. Letztlich kommt es bei dem Wettbewerb nicht so sehr auf das Ergebnis an. Viel spannender ist der Prozess.“ Die Kursteilnehmer:innen scheinen das genauso zu sehen. Als sie ihr Fazit für den Abend in ein Wort subsumieren sollen, fallen Ausdrücke wie: interessant, bereichernd und erkenntnisreich.