Olga Uchatsch kam im Alter von fünf Jahren aus der Ukraine nach Deutschland – Lebte in einem kleinen Dorf in der Nähe von Jena. „Einkaufen in der Stadt – das war für mich als Kind immer ein Erlebnis. Ich habe es geliebt.“ Heute wohnt sie bewusst direkt in Jenas Innenstadt. Hier geht sie zur Arbeit, auch ihre Tochter besucht eine Kita in direkter Innenstadtlage. „Ich brauche den Trubel, ich bin gern unter Menschen und es gehört für mich einfach zu einem lebendigen Stadtleben dazu, auch einmal auszugehen“, erzählt sie. Den Rückgang des vielfältigen Einzelhandels empfindet sie daher als herben Verlust auch in gesellschaftlicher Hinsicht.
So basiert ihr Konzept für ihren family space & store „Fambulous“ auch auf zwei Säulen: der des Einzelhandels und der der Zusammenkunft: „Das einfachste wäre es natürlich gewesen, ein Kindercafé zu eröffnen. Das wollte ich aber bewusst nicht. Einerseits weil ich im gastronomischen Bereich keine Erfahrung habe und anderseits weil Gastronomie auch sehr kostspielig ist. Wenn ich für zwei Stück Kuchen und zwei Heißgetränke mal eben 14 Euro zahlen muss, kann ich mir das nicht ständig leisten“ findet die junge Gründerin. Sie selbst möchte daher einen anderen Weg gehen: „Ich wollte aber, dass mein Konzept für alle offen ist. Im Fambulous zahlt man daher ein kleines Nutzungsentgelt, um hier Zeit mit seinem Kind verbringen zu können. Dafür gibt es hier aber auch keine Verzehrpflicht. Man kann sich sein eigenes Essen mitbringen oder sich alternativ in der Küche bedienen.“ Olga zeigt in den offenen Küchenbereich des Stadtlab. Hier stehen ein paar Snacks und Getränke, heißer Filterkaffee für einen Euro die Tasse blubbert durch die Maschine. Daneben steht eine Kasse des Vertrauens. „Das hat sich jetzt nach einer Woche ganz gut bewährt. Erstmal mussten viele allerdings die Hemmung verlieren, sich in einer fremden Küche zu bedienen. Aber auch hier war der Gedanke: Gastronomie mit guten Service und guten Produkten haben wir in Jena bereits genug. Außerdem hat dieses System noch weitere praktische Gründe. Einer davon: Es geht schnell. Wenn ich ein Café besuche, muss ich oft noch anstehen und auf die Bestellung warten. In der Zeit ist mein Kleinkind meist schon latent ungeduldig. Das alles stresst. Hier gibt es zwar nur Basics wie Filterkaffee und keinen Superkaffee mit Schaumherzchen. Dafür ist der aber günstig. Mein Grundgedanke war, dass beide Bereiche – also Verkauf und Aufenthalt – füreinander arbeiten. Wenn du gerade hier bist und dein Kind ist beschäftigt, siehst du dich vielleicht auch einmal um, was es so zu kaufen gibt.“ Dieses Gesamtkonzept von Lebens-, Laden- und Innenstadtphilosophie spiegelt sich auch in ihrer Produktauswahl nieder: Firmen mit ökologischen, nachhaltigen Produkten wie Krabbelteppichen oder Spielgeräte finden sich hier genauso wie Bücher und diverse Produkte, welche tradierte Rollen- oder Geschlechterklischees aufbrechen und die Diversität von Familien aufzeigen. Außerdem hat sie ihr offenes Konzept durch ein kleines Programm ergänzt. Es gibt Filmabende, Workshops und beispielsweise eine Kinderdisko, erzählt sie. Auch hier kann man kommen und gehen, wann man möchte.“ Unkompliziert soll es sein. Für die Kinder und eben auch für deren Begleitpersonen. Ihren Monat im Stadtlab hat sie ganz bewusst auf einen „ganz normalen Monat“ gelegt. Kein Weihnachtsgeschäft, kein besonderes Stadtfest oder ähnliches sollte Einfluss auf das Verhalten der Innenstadtbesucher haben. Das sie sich diesen Monat mit Doreen Wiegleb teilt, war für sie ein Glücksfall. Ihr Angebot des „Familienbettes“ passt perfekt hier rein, findet sie.
Um ihr Konzept umzusetzen, braucht Olga allerdings einen Laden mit einer gewissen Größe. „Das Stadtlab selbst ist dafür ein idealer Testballon“, findet sie. Auch um auszutesten, wie das Ladenkonzept überhaupt so bei der Bevölkerung ankommt. „Die erste Woche war es hier tatsächlich krachend voll – wie sich allerdings jetzt auch herausstellte, war das der Eröffnungseffekt. Jetzt muss ich dringend mehr werben.“ Der Unternehmerin ist klar, dass ihr Konzept zum jetzigen Zeitpunkt auf dem „freien Markt“ kaum umsetzbar wäre. „Die horrenden Mieten, welche für Gewerberäume abgerufen werden, machen so ein Konzept mit so einer Ladengröße im Innenstadtbereich derzeit nicht machbar.“ Sie müsste, so ihr Fazit, „sonst so horrende Preise nehmen, dass diese wiederum ihrer offen partizipativen Idee entgegenstünden. Einen Schritt ist die Unternehmerin dennoch bereits gegangen. Neben ihrem festen Job an der Universität als Programmkoordinatorin für das Deutschlandstipendium hat sie einen kleinen Laden im Damenviertel angemietet.